Praxis für traditionelle chinesische & japanische Medizin im Glockenbachviertel

Wege entsehen dadurch, dass man sie geht.
Franz Kafka

    
   

Weide (Salix spp.)

Die Weide ist ein äußerst anpassungs- und regenerationsfähiger Baum, daher findet man Vertreter der etwa fünfhundert unterschiedlichen Arten nicht nur in der Arktis und den gemäßigten Zonen, sondern auch in den Tropen. Sie gedeiht an der Meeresküste ebenso wie in den Bergregionen. Dabei übersteht sie Trockenheit und Überflutungen. Schneidet man die zurück, treibt sie sofort wieder kräftig aus. Obwohl ihr Stamm oft angefault ist und große Löcher davon zurück behält, wächst sie gekrümmt weiter. Halt geben ihre kräftigen, stark verzweigten Wurzeln nicht nur dem Baum, sondern auch ihrer Umgebung. So wirkt sie stabilisierend auf Flussufer. Damit steht sie symbolisch für den Kreislauf des Lebens von Zerstörung und Erneuerung, aber auch für Stabilität und die Fähigkeit starke Verwundungen zu überstehen. Der botanische Pflanzenname wurde eventuell von den keltischen Worten "sal" für "nahe" und "lis" für Wasser abgeleitet, allerdings ist dies nicht sicher. Der deutsche Name stammt vermutlich aus dem Mittelhochdeutschen "wīde" bzw. dem Althochdeutschen "wīda".

Einige Vertreter der Weiden sind Bäume, die sechs bis zehn Meter hoch werden, andere bilden Sträucher. An ihren biegsamen Ästen sitzen die länglichen, zum Teil silbrig-weißen Blättern schraubig angeordnet. Diese sind auf der Unterseite oft behaart. Männliche und weibliche Blüten wachsen bei den Weiden auf unterschiedlichen Pflanzen, daher bezeichnet man sie als zweihäusig. Ihre als „Kätzchen“ bekannten Blütenstände erscheinen meist schon im April vor den Blättern und sind beliebter Osterschmuck. Weibliche Kätzchen haben eine Grünton, während  männliche Kätzchen an weit heraus stehenden gelben Staubblättern zu erkennen sind. Ihr Nektar dient den ersten Bienen als Nahrung im Frühjahr. Die Samen, die von einem Haarkranz umhüllt sind, verbreiten sich ab Mai mit dem Wind und keimen kaum gelandet innerhalb weniger Stunden.

Legenden rund um die Weide

Weiden blicken dabei auf eine lange Geschichte zurück: Weiden haben sich bereits nach der letzten Eiszeit, also vor mehr als 10.000 Jahren, auf unserem Planeten angesiedelt. Damit gehören sie wie Birken, Kiefern oder Schachtelhalm zu den Pionierpflanzen und bilden eine eigene Familie: die Weidengewächse (Salicaceae), zu denen auch die Pappeln gehören. Einst war die Weide der Göttin der Unterwelt, Persephone, und Circe, der Tochter des Sonnengottes Helios und der Mondgöttin Perse, die die Gefährten von Odyseus in Schweine verwandelte, geweiht sowie Hekate, der Herrin des nächtlichen Unwesen. Alle drei standen für den tödlichen Aspekt der Mondgöttin. So entwickelte sich in der Vorstellungswelt der Menschen ein enger Zusammenhang von Mond, Wasser und Weide. Doch auch mit dem Hexenkult wurde die Weide in Verbindung gebracht, denn die Hexen tanzten angeblich unter diesem Baum. Außerdem wurde der Hexenbesen bekanntlich aus ihren Ästen hergestellt.

Die Weiden galten aber auch aufgrund ihrer bizarren Formen als unheimlich und wurden gemieden. Man spricht von Trauerweiden, weil sich Menschen Weidenzweige als Zeichen von Liebeskummer umlegten. Nur die Griechen verbanden mit der Weide auch den positiven Aspekt der Erneuerung und weihten sie daher nicht nur den Göttinnen der Unterwelt, sondern auch der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter. In China nutzt man die Weide dagegen bei Reinigungszeremonien. Hier symbolisieren sie zudem weibliche Schönheit. Allerdings stehen die schwingenden Äste und die Kätzchen dort und in Japan auch für moralisch sexuelle Gelüste und moralisch anstößiges Verhalten, weshalb sie mit Freudenhäusern in Verbindung gebracht werden.

Mögliche Wirkungen der Weidenrinde (Salicis cortex) und der Weidenknospen (Salicis gemma)

Medizinisch werden die Knospen (Gemma) und die Rinden (Cortex) verschiedener Weidenarten genutzt. Schon früher erkannte man, dass sie Schmerzen lindern und Fieber senken kann. Ein Münchner Pharmazeut, Johann Andreas Buchner, entdeckte jedoch erst im frühen 19. Jahrhundert, den dafür verantwortlichen Inhaltsstoff, den er „Salicin“ nannte. Später folgte aus dieser Entdeckung der Salicylsäure die Ära des Aspirins. Erkältungen, Fieber, Schmerzen im Bewegungsapparat und Kopfschmerzen sind bis heute die Einsatzgebiete der Weide. In der chinesischen Medizin wird sie genutzt, um Hitze zu kühlen. Mögliche Nebenwirkungen sind Beschwerden im Magen-Darm-Trakt und Hautausschläge.

Da sich ihre Salicylsäure chemisch etwas von der Acetylsalicylsäure unterscheidet ist sie jedoch kein adäquater Ersatz für Blutverdünner. Dennoch müssen Personen, die diese Arzneistoffe einnehmen, damit rechnen, dass sie bei gemeinsamer Anwendung bei Verletzungen länger bluten. Sie sollten die Kombination daher mit ihrem behandelnden Arzt bzw. ihrer Ärztin besprechen. Patienten mit erhöhten Harnsäurewerten oder Unverträglichkeit von Salicylaten sowie Schwangere und stillende Mütter sollten die Weide meiden. Für Kinder und Jugendliche liegen keine Daten zur Sicherheit vor.

Quellen:
    • https://arzneipflanzenlexikon.info
    • https://www.phytodoc.de
    • https://www.therapeutika.ch
    • Monographie der europäischen Arzneimittelbehörde EMA
    • S. Bäumler. Heilpfalnzenpraxis heute. München 2007
    • C. Stern. Gemmotherapie. Stuttgart 2019

Bitte beachten Sie: Diese Behandlungen mit Kräutern gehören zu den wissenschaftlich / schulmedizinisch nicht anerkannten – den sogenannten naturheilkundlichen oder alternativmedizinischen - Heilverfahren. Bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden sowie bezüglich möglicher Wechselwirkungen mit Medikamenten sprechen Sie bitte mit Ihrem behandelnden Arzt!