Praxis für traditionelle chinesische & japanische Medizin im Glockenbachviertel

Wege entsehen dadurch, dass man sie geht.
Franz Kafka

    
   
Brennnessel

Brennnessel (Urtica dioca & Urtica urens)

Zur Brennnessel hält wohl ein jeder etwas Abstand, der schon einmal mit den Inhaltsstoffen der leicht zerbrechlichen Häarchen der Pflanze in Berührung kam und durch das anhaltende Brennen, die schmerzhafte Schwellung und die Rötung auf der Haut noch ein Weilchen an diesen Kontakt erinnert wurde. Darauf verweist nicht nur die Silbe "Brenn" im deutschen Namen, auch "Urtica" bedeutet die Brennende. Einst wurde aus den Fasern der Pflanze Nessel-Gewebe herstellt, daher erhielt sie im deutschen Namen eine zweite Silbe "Nessel". Sie gilt als schmackhafte Beilage im Salat und auch ihr Nutzen als Heilpflanze hat sich herum gesprochen. Auch Schmetterlingsraupen nähren sich von Brennnesseln.

Auf stickstoffreichen Böden gedeiht die Brennnessel sehr üppig. Ihre Blätter sind kreuzgegenständig angeordnet. Auf jeder Etage befinden sich also zwei einander gegenüber stehende lanzettförmige bis elliptische und spitz zu laufende, am Rand gezähnte Blätter, wobei die Blätter der nächsten Etage im rechten Winkel dazu verdreht angeordnet sind. Stängel und Blätter sind behaart. Diese Haare brechen schon bei der kleinsten Berühung auf und geben ihren stark reizenden Inhalt ab, der Fressfeinde fern halten soll. Doch viele Insekten haben ihre Methoden entwickelt, um sich dennoch von der Brennnessel zu ernähren. In den Blattachseln der Brennnesseltriebe bilden sich die ähren- oder rispenähnlichen Blüten mit den unauffälligen Blüten.

Legenden und Historisches rund um die Brennnessel

Die Brennnessel hieß bei den Germanen Donnernessel und war dem Gewittergott Donar geweiht, der besser bekannt ist als Thor. Es war wohl der einschießende Schmerz, den eine Berührung der Nessel postwendend auslöst, der den Vergleich mit einem Blitzeinschlag nahe legte. In der Antike verkörperte die Brennnessel den Planeten und Gott Mars, also den Kriegsgott, der mit seiner kriegerischen Natur ebenfalls viel Schmerz verursachte. Zudem enthält sie viel Eisen, das ebenfalls mit Mars in Verbindung gebracht wird. Allerdings ist fraglich, ob dies im Altertum schon bekannt war.

Es wurden aber auch Parallelen zwischen dem feurigen Schmerz im Anschluss an den Kontakt mit der Brennnessel und der freurigen Liebe gesehen - zumal Mars eine Affäre mit Aphrodite hatte, der Göttin der Liebe. So versuchte man mit der Brennnessel nicht nur die Liebe zu entfachen, sondern auch die Fruchtbarkeit von Frauen zu verbessern oder die männliche Potenz zu stärken. Hierfür nutzten die Römer Brennnesselsamen, die sie in den Wein gaben. Konsequenterweise soll der Genuss der Samen im Kloster widerum verboten gewesen sein. Auch Thor war übrigens nicht nur Gewittergott, sondern auch ein Gott der Fruchtbarkeit. Für die Kelten symbolisierte die grüne Brennnessel dagegen den "Grünen Mann", den Partner der Erdgöttin. Er vertrieb alljährlich den eisigen Winterkönig aus dem Wald sowie von Feldern und Wiesen.

Wie viele andere Pflanzen nutzte man die Brennnessel auch um Unheil in Form von bösen Geistern und Hexen fern zu halten, indem man Ställe mit ihr ausräucherte, das Vieh darauf schlafen ließ oder den Misthaufen damit behandelte. Andererseits vermutete man in einigen Regionen, dass die Heinzelmännchen in den Brennnesseln wohnten. Bis heute verwendet man die Brennnessel, um die Qualität von Böden zu verbessern, als Düngemittel und Insektenschutz. Zum Glück lässt man Kranke heute nicht mehr auf die Brennnessel urinieren, um abzuschätzen wie lange sie noch leben - und auch Bräute sind inzwischen davon verschont, denn es interessiert nur noch wenige, ob sie noch Jungfrau sind. Früher beobachtete man die Pflanze, nachdem sie dem Urin der zu überprüfenden Person ausgesetzt war. Wurde sie welk, galt dies als Indiz für die verlorene Jungfräulichkeit bzw. den nahen Tod.

Mögliche Wirkungen von Blättern, Wurzeln und Samen der Brennnessel  (Urticae folium, radix & semen)

Brennnesseln haben einen hohen Gehalt an Mineralstoffen wie Eisen und an Vitaminen, vor allem an Vitamin C. In der TCM gehört die Brennnessel deshalb zu den Blut-Tonika. Medizinisch werden die Brennnesselblätter (Urticae folium), das Kraut (Urticae herba) und die Wurzel (Urticae radix) sowie die Samen (Urticae semen) genutzt. Sie können als Tee, Extrakt oder Tinktur verwendet werden.

Zu seinen Anwendungsgebieten der Brennnessel gehören Anämie, Durchspülung der Harnwege bei entzündlichen Erkrankungen, Miktionsbeschwerden bei Prostatahyperplasie und die unterstützende Behandlung von Rheuma. Zusätzlich sollte man viel trinken, da Zubereitungen der Brennnesseln entwässern. Aus dem TCM-Sicht regulieren Brennnesseln den Flüssigkeitshaushalt, sie eliminieren, was sich ungewollt angesammelt hat, befeuchten aber auch und tonisieren das Blut. Lange gehörte die Brennnessel zu den Pflanzen, die das Blut reinigen und die Frühjahrmüdigkeit vertreiben sollten. In einigen Regionen war sie fester Bestanteil der Gründonnerstagssuppe. Mit ihrer Hilfe kann ausspülen, was nicht mehr benötigt wird, damit man mit neuer Kraft in den Frühling starten kann.

Tradtionelle wurde der feurige Schmerz, den die Brennnessel verursacht, mit Aggression in Verbindung gebracht. Heute ist Aggression vor allem negativ besetzt, da der Fokus auf ihrem zerstörerischen Potential liegt. Doch jeder Mensch benötigt eine gesunde Portion Aggression oder Wut im Leben, damit er sein Leben gestalten und Dinge verändern kann. Der Ärger oder die Wut zeigen jedermann erst einmal an, dass etwas so wie es ist, nicht passt. Sie können die Antriebskraft für Veränderungen, aber in ihrer übersteigerten Form können sie zerstörerisch wirken. Ärger, Wut und Aggression gehören in der chinesischen Medizin zur Wandlungsphase Holz. Eine ausgewogene Holz-Energie respektiert die Grenzen des anderen und findet einen kreativen Weg, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, ohne anderen zu schaden. Sie ist felxibel und trotzdem zielstrebig wie der Spross, der sich an allen Hindernissen vorbei schlängelt. Aggression in ihrem Übermaß entsteht oft, weil Menschen diese Veränderungen nicht angehen. Hier kann die Brennnessel mit der ihr inne wohnenden Aggression sie unter Umständen unterstützen, das Alte loszulassen und somit Raum für Neues zu schaffen. Ferner kann sie eine fehlgeleitete Aggression wie Allergien mitunter korrigieren.

Die Samen werden gemahlen einer Mahlzeit zugegeben (bis zu 3x1 Teelöffel für Erwachsene). Sie werden in der Erfahrungsmedizin bei Erschöpfung, Burn out, Haarausfall oder Osteoporose eingesetzt.

Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören Beschwerden im Magen-Darm-Trakt und allergische Reaktionen. Dann sollte auf die Brennnessel verzichtet werden. Die Inhaltsstoffe der Brennnessel können die Wirkung von Gerinnungshemmern beeinträchtigen und die Wirkung von entwässernd wirkenden Arzneistoffen wie ACE-Hemmern, Sartanen und Diuretika verstärken. Nicht anwenden sollte man die Brennnessel ferner bei Herz- oder Nierenschwäche und damit einhergehenden Ödemen sowie bei akuter Arthritis mit Schwellung, Rötung und Fieber.

Kinder und Jugendliche jeden Alters, Schwangere und stillende Mütter sollten Arzneipflanzen nur nach Rücksprache mit ihrem behandelnden Arzt anwenden und auch die Dosierung mit ihm absprechen.

Quellen:
www.arzneipflanzenlexikon.info
http://www.ema.europa.eu
https://www.therapeutika.ch
https://www.phytodoc.de 
https://www.walaarzneimittel.de
• S. Bäumler, Heilpflanzenpraxis heute. München 2007

 

Bitte beachten Sie: Diese Behandlungen mit Kräutern gehören zu den wissenschaftlich / schulmedizinisch nicht anerkannten – den sogenannten naturheilkundlichen oder alternativmedizinischen - Heilverfahren. Bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden sowie bezüglich möglicher Wechselwirkungen mit Medikamenten sprechen Sie bitte mit Ihrem behandelnden Arzt!