Praxis für traditionelle chinesische & japanische Medizin im Glockenbachviertel

Wege entsehen dadurch, dass man sie geht.
Franz Kafka

    
   

Gelber Enzian (Gentiana lutea)

Der gelbe Enzian wächst im Gebirge – in den Alpen, im Schweizer Jura, in den Pyrenäen, aber auch im Schwarzwald und in den Vorgesen – auf Wiesen und Weiden ebenso wie auf Felsen und Schutthalden. Er  gehört zur Familie der Enziangewächse (Gentianaceae). Genthios oder Genitus, der letzte König der illyrischen König im heutigen Albanien, soll den medizinischen Wert seiner Wurzel erkannt haben. Im Deutschen ließ man einfach den Anfangsbuchstaben „G“ weg – so wurde aus dem „Genzian“ ein „Enzian“. Wegen seiner gelben Blüten nennt man ihn zur Unterscheidung vom blauen Enzian auch „gelber Enzian“. Der wissenschaftliche Name erhielt mit „lutea“ für gelb ebenfalls einen entsprechenden Zusatz. Die Pflanze steht unter Naturschutz, da seine Existenz bedroht war. Grund waren die vielen Sammler, die sich ihren bitteren Enzianschnaps oder Magenbitter selbst herstellen wollten.

Der gelbe Enzian wird bis zu eineinhalb Meter hoch und hat eine bis zu einen Meter lange Wurzel in der Erde. Kerzengerade wächst der etwa fingerdicke, hohle Stängel nach oben. Im unteren Abschnitt trägt er große ellipitische Laubblätter mit einer bogenförmigen Blattnervatur. Seine Blüten bilden sich zwischen Juni und August in Trugdolden in den Achseln von Tragblättern. Jede dieser Dolden besteht aus drei bis zehn gelben Einzelblüten. Ihnen folgen die kegelförmigen Früchte, die eine Kapsel mit zahlreichen Samen hervorbringen.

Mögliche Wirkungen der Enzianwurzel (Gentianae radix)

Medizinisch werden die Wurzel (Radix) und der Wurzelstock (Rhizom) verwendet. Sie enthalten neben Zuckerverbindungen zahlreiche Bitterstoffe, die die Geister scheiden. Denn viele Menschen lieben den Geschmack dieser Pflanze, die als die bitterste aller bekannten Heilpflanzen gilt. Denn man muss sie 1:100.000 verdünnen, damit man das Bittere nicht mehr schmeckt. Andere schütteln sich, wenn sie davon trinken.

Nach dem Verständnis der chinesischen Medizin trägt der Geschmack erheblich zur Wirkung bei. Man wählt Pflanzen für eine Teemischung niemals nur aufgrund ihrer pharmakologischen Wirkung aus, sondern immer auch unter Berücksichtigung des Geschmacks. Der stark bittere Geschmack wirkt kühlend und absenkend. In der aus der Klostermedizin überlieferten Tradition, sind Bitterkräuter auch Tonika. Das sahen die alten Chinesen etwas anders. Im Falle des Enzians legt der Gehalt an Kohlenhydraten und der damit verbundene kaum merkliche süße Geschmacksanteil allerdings nahe, dass er auch tonisierend wirkt. In diesem Fall gilt es als Qi-Tonikum für die Verdauungsorgane, das zugleich Nässe trocknet – eine häufige Begleiterscheinung von Qi-Leere der Mitte. Das Hauptanwendungsgebiet der Enzianwurzel sind daher Verdauungsschwächen. Indem er den Appetit anregt, wirkt er auch stärkend. Deshalb ist er ein gutes Kraut für die Rekonvaleszenz.

Für die Wahrnehmung des bitteren und süßen  Geschmacks wurden mittlerweile G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) nachgewiesen, die mit dem zentralen Nervensystem verbunden sind. Der salzige und saure Geschmacks löst dagegen über Ionenkanäle einen elektrischen Impuls aus. Im Unterschied hierzu entfaltet der scharfe Geschmack seine Wirkung über Schmerzrezeptoren (4).

Was die alten Chinesen längst ahnten, wurde inzwischen auch wissenschaftlich bestätigt. Geschmacksrezeptoren gibt es nicht nur im Mund, sondern auch in zahlreichen anderen Organen: z. B. in den Atemwegen, im Herzen, in den Harnwegen, im Magen-Darm-Trakt und im Nervensystem, so dass der Geschmack tatsächlich einen physiologischen Effekt haben kann. Der bittere Geschmack wirkt unter bekanntlich appetitanregend, verdauungsfördernd, regt den Fluss der Gallensäfte an und lindert Schwermut. Der süße Geschmack dagegen nährt, befeuchtet und zentriert. Dabei bringt er die Emotionen in ein harmonisches Gleichgewicht, weshalb manch einer gerne zu Süßigkeiten greift, um sich zu trösten. Da wäre dann der Enzian eine Alternative, der süß schmeckt, aber mit seinen Bitterstoffen die Süßgelüste zugleich reduzieren kann. Andere Bitterkräuter sind zum Beispiel die Artischocke, das Tausendgüldenkraut oder der Wermut.

Bei einer Übersäuerung des Magens sollte man jedoch auf Enzian verzichten. Zur Anwendung des Enzians in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen fehlen Daten zur Sicherheit, deshalb rät man ihnen einer Anwendung ab.

Quellen
    • https://arzneipflanzenlexikon.info
    • https://www.phytodoc.de
    • Monographie der europäischen Arzneimittelbehörde EMA
    • https://www.therapeutika.ch/Gentiana+lutea
    • S. Bäumler. Heilpflanzenpraxis heute. München 2007

Bitte beachten Sie: Diese Behandlungen mit Kräutern gehören zu den wissenschaftlich / schulmedizinisch nicht anerkannten – den sogenannten naturheilkundlichen oder alternativmedizinischen - Heilverfahren. Bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden sowie bezüglich möglicher Wechselwirkungen mit Medikamenten sprechen Sie bitte mit Ihrem behandelnden Arzt!